Deutsch – Grundfakten über die Sprache

Inhalt

Begriffe und Bezeichnungen

  • Altsächsisch – älteste Form des Plattdeutschen
  • Analytische Formen – zusammengesetzte und umschreibende Formen (grammatische Kategorien werden mit Hilfe von Hilfsverben, Artikeln ausgedrückt)
  • Austriazismus – österreichische lexikalische Variante
  • Deutsch – Sammelbezeichnung einer durch Mischung und Sprachausgleich germanischer Dialekte zwischen dem Rhein und der Elbe entstandenen westgermanischen Sprache; im frühen Mittelalter ›Volkssprache‹ (ursprüngliche Bedeutung ›Volk‹): Sprache des Volkes im Gegensatz zum Latein
  • Deutschschweiz – das Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft, wo die deutschsprachige Mehrheit lebt
  • Dialektkontinuum – fließender Übergang zwischen den Dialekten zweier Sprachen
  • Diglossie – Zweisprachigkeit
  • Fraktur – bis 1941 in deutschsprachigen Ländern verwendete Variante der lateinischen Schrift
  • Helvetismus – deutschschweizerische lexikalische Variante in der Schriftsprache
  • Hochdeutsch – 1) heutige normierte Form der deutschen Sprache; 2) Verband jener (ober- und mitteldeutschen) Dialekte, die sich infolge der 2. Lautverschiebung geändert haben, im Gegensatz zum Plattdeutschen
  • Kurrent – geschriebene Form der Fraktur
  • Lautverschiebung (zweite/hochdeutsche Lautverschiebung) – Lautveränderungen der germanischen Dialekte im 5. bis 8. Jh., die zur Herausbildung des Hochdeutschen führten
  • Mitteldeutsch – hochdeutsche Dialektgruppe zwischen dem nieder- und oberdeutschen Sprachraum
  • Oberdeutsch – Oberbegriff für den hochdeutschen Sprachraum in Süddeutschland, Österreich und der Deutschschweiz
  • Orthografie – Rechtschreibung
  • Platt(deutsch)/Niederdeutsch – Sammelbegriff für die deutschen Dialekte im Norden Deutschlands, die von der 2. Lautverschiebung unberührt blieben
  • Schriftsprache – in der Schweiz gebräuchliche Bezeichnung der geschriebenen deutschen Hochsprache
  • Schwyzerdütsch/Schweizerdeutsch – Sammelbezeichnung für die alemannischen Dialekte in der Deutschschweiz, Muttersprache der deutschsprachigen Schweizer

Sprachgebiet

  • Mutter- oder Zweitsprache von ca. 100 Mio. Menschen weltweit
  • Das zum deutschen Dialektraum ebenfalls zugehörige Niederländische (Niederfränkisch) ist – trotz eines Dialektkontinuums zwischen den deutschen und niederländischen Mundarten – wegen der unterschiedlichen historischen Entwicklung getrennt zu betrachten. Siehe auch: Niederländisch – Grundfakten über die Sprache.

Europa

(91,5 Mio. Muttersprachler – zweitstärkste Sprache Europas)

  • Bundesrepublik Deutschland (80 Mio. Sprecher) – Amtssprache
  • Republik Österreich (7,9 Mio. Sprecher) – nationale Amtssprache
  • Schweizerische Eidgenossenschaft (4,3 Mio. Sprecher) – Amtssprache neben dem Französischen, Italienischen und Rätoromanischen
  • Großherzogtum Luxemburg (270 Tsd. Sprecher) – Amtssprache neben dem Luxemburgischen und Französischen
  • Fürstentum Liechtenstein (31 Tsd. Sprecher) – Staats- und Amtssprache
  • Königreich Belgien (110 Tsd. Sprecher) – dritte Landessprache neben dem Niederländischen und Französischen, regionale Amtssprache (Region Eupen-St. Vith)
  • Republik Italien (260 Tsd. Sprecher) – regionale Amtssprache in Südtirol (Provinz Bozen), kleinere Sprachinseln im Landesinneren
  • Republik Frankreich (1,5 Mio. Sprecher) – Sprache der Minderheit in Elsass und Lothringen
  • Königreich Dänemark (25 Tsd. Sprecher) – Region Nordschleswig
  • Rumänien (380 Tsd. Sprecher) – u. a. Sprachinseln der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen
  • Republik Ungarn (200 Tsd. Sprecher) – Sprachinseln, u. a. Donauschwaben
  • Republik Polen (500 Tsd. Sprecher) – Sprache der Minderheit, insb. in Oberschlesien und in den Masuren
  • Gemeinschaft unabhängiger Staaten (1,9 Mio. Sprecher) – Sprache der deutschen Minderheit in Südrussland (Wolgagebiet), Kasachstan

Übersee

(Auswanderungsländer)

  • USA (200 Tsd. Sprecher) – insbesondere in Pennsylvania; insgesamt ca. 49 Mio. US-Amerikaner deutschstämmig
  • Kanada (560 Tsd. Sprecher)
  • Brasilien (1,5 Mio. Sprecher)
  • Argentinien (400 Tsd. Sprecher)
  • Australien (135 Tsd. Sprecher)

Afrika

  • Namibia (25 Tsd. Sprecher) – dritte Landessprache neben dem Englischen und Afrikaans, Nationalsprache, bis 1989 regionale Amtssprache
  • Südafrika (60 Tsd. Sprecher)

Sprachgeschichte

Entstehung der Sprache

  • Bis zum 8. Jh. germanische Dialekte auf dem Gebiet des späteren Ostfränkischen Reiches
  • 2. Lautverschiebung: Ausgliederung des (Althoch-) Deutschen aus dem übrigen germanischen Sprach- und Dialektverband (Konsonantenänderungen), die Sprache der Sachsen (Altsächsisch) davon nicht betroffen, entwickelt sich selbstständig

Althochdeutsch (im Norden Altsächsisch)

  • Zeitraum 8. Jh.–1050 (Norden: 800–1150): Früh- und Hochmittelalter
  • Klosterkultur, Einfluss des Lateinischen als der offiziellen Sprache
  • Viele unterschiedliche sprachliche Formen
  • Literaturdenkmäler: Stabreimdichtung, Heldenepen, christliche Poesie (Merseburger Sprüche, Hildebrandslied, Isidor, Ottfrid)
 
  • Altsächsisch: seltene Sprachdenkmäler (Heliand)

Mittelhochdeutsch (im Norden Mittelniederdeutsch)

  • Zeitraum 1050–1350: Spätmittelalter
  • Ostkolonisierung von slawischen Gebieten ostwärts der Saale und Elbe
  • Höfische Kultur, Einfluss des Französischen
  • Um 1300 Verwendung des Deutschen in Urkunden
  • Grafische Form: gotische Schrift, neues Grafemsystem
  • Während der Staufer-Herrschaft relativ einheitliche gesprochene Verkehrsform unter den Adligen, mit Dialektelementen
  • Später regionale Schreibdialekte der Kanzleien
  • Überregionale Sprache der Oberschicht versus Mundart der Unterschichten
  • Erstes Geschichtswerk (Weltchronik)
  • Nibelungenlied, Rittergesang (Hartmann von Aue, Walter von der Vogelweide)
 
  • Mittelniederdeutsch: Schreibsprache mit regionalen Varianten, Sprache der Hanse, Einfluss auf skandinavische Sprachen
  • erstes Rechtsbuch (Sachsenspiegel)

Frühneuhochdeutsch (im Norden Niederdeutsch)

  • Zeitraum 1350–1650: Reformation und Humanismus
  • Vielfältige Schreibdialekte ausgehend von Kanzleien, Vereinheitlichungstendenzen infolge des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs
  • Um 1450 Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg
  • seit 1522 – Luthers Bibelübersetzung, Prägung der deutschen Sprache auf Grundlage der thüringischen und obersächsischen (meißnischen) Dialekte
  • Seit 15. Jh. starke Verbreitung von Wörterbüchern
  • 16. Jh. (bis Ende des 18. Jh.) – Latein gewinnt mehr an Bedeutung
  • Schriftlicher Verkehr der Adligen in Französisch
 
  • Niederdeutsch: Im 15. Jh. starke Zurückdrängung, in Städten zunehmend nur noch Sprache der niederen Schichten

Neuhochdeutsch (im Norden Niederdeutsch)

  • Zeitraum seit 1650: Barock, Aufklärung, Klassik, Moderne
  • Barock: Entstehung der eigenständigen Literatur, Normierungstendenzen der geschriebenen Sprache – Grammatiker (Schottelius, Gottsched), Sprachpflege (Sprachgesellschaften), schwulstiger Stil, Festlegung der grafischen Form
  • Aufklärung: Festlegung der Großschreibung von Substantiven
  • Klassik: Höhepunkt der Sprachentwicklung (Goethe, Schiller)
  • Moderne: Normierung (Grammatik, Rechtschreibung), Sprachpurismus
 
  • Niederdeutsch: Mit dem Untergang der Hansa nach dem 17. Jh. kein nennenswertes Schrifttum mehr, noch bis zum 19. Jh. Umgangssprache in Städten

Deutsch der Gegenwart

  • 1898 – Kodifizierung der Ausspracheregeln (Siebs’ Bühnenaussprache)
  • 1901 – Rechtschreibkodifikation beschlossen
  • 1941 – Fraktur abgeschafft
  • 1998–2006 – neue Rechtschreibregeln treten in Kraft
  • Tendenzen: produktive Wortzusammensetzungen, kürzere Satzlänge, Substantivierung, Rückgang des Genitivs, vermehrt analytische Sprachformen, Einfluss des Englischen

Deutsch in Österreich

  • 7,9 Mio. Sprecher
  • Österreich liegt im oberdeutschen Sprachraum; gehört zur bairischen Dialektgruppe, das westlichste Bundesland Vorarlberg (315 Tsd. Einwohner) zur alemannischen
  • Z. T. Unterschiede in der Lexik, Aussprache, Orthografie und Wortbildung gegenüber dem übrigen deutschen Sprachraum
  • Gesprochene Sprache mundartlich gefärbt, gleitende Übergänge Hochsprache–Dialekt, viele Stilnuancen
  • Hochdeutsch ist die Sprache des öffentlichen Lebens, in der Alltagskommunikation werden Umgangssprache und Dialekt gesprochen
  • Viele regionale Varianten, einheitliche Zeitungs- und Verwaltungssprache
  • Französische, slawische, ungarische Vokabeln im Wortschatz

Deutsch in der Schweiz

  • 4,3 Mio. Sprecher (über 60 % der Bevölkerung)
  • Die Alltagssprache der Deutschschweizer ist die Mundart (Schwyzerdütsch) – keine einheitliche Sprache, viele regionale alemannische Untermundarten (quasi Konservierung des Mittelhochdeutschen vom 13. Jh.)
  • Faktische Diglossie: Nebeneinander des Schriftdeutschen, das nur bei offiziellen Anlässen und teilweise in den Medien gebraucht wird, und der Mundart, der Kommunikationssprache, die von allen sozialen Schichten gesprochen wird
  • Einfluss der romanischen Sprachen, insbesondere des Französischen: Vokabeln, Aussprache
  • Orthografie: ›ß‹ seit 1938 durch ›ss‹ ersetzt, Wörter französischer Herkunft oft in der Originalschreibweise
  • Unterschiede zum übrigen deutschen Sprachraum insbesondere in der Wortbildung sowie Aussprache
Deutsches Sprachgebiet

Gegenwärtiger Verbreitungsstand der deutschen Sprache mit gekennzeichneten Trennlinien der Dialekthauptgruppen Nieder- (N), Mittel- (M) und Oberdeutsch (O). Schraffiert sind zweisprachige Gebiete mit dem Dänischen (Süddänemark), Französischen (Ostbelgien und Frankreich), Italienischen (Norditalien) und Sorbischen (an der Grenze mit Tschechien und Polen)