Inhalt
Begriffe und Bezeichnungen
- Altslawisch (später Kirchenslawisch) – erste slawische Schriftsprache, Kirchen- und Literatursprache südmakedonischer Herkunft
- Diakritische Zeichen – Unterscheidungszeichen in der Schrift, kennzeichnen eine andere Aussprache. Im Tschechischen sind es Akzente (Längezeichen), Háčeks (Häkchen) und Ringel.
- Dialekt – Mundart
- Dialektkontinuum – fließender Übergang zwischen den Dialekten zweier Sprachen
- Gemeintschechisch – interdialektale gesprochene Form des Tschechischen in ganz Böhmen und in angrenzenden Teilen Mährens bei der informellen Kommunikation
- Glagolitische Schrift (Glagoliza) – Schrift der altslawischen Texte auf tschechischem Gebiet, Konstantin (827–869) erschuf sie auf Basis des griechischen Alphabets
- Interdialekt – sprachliches Gebilde, verwendet auf mehreren Dialektgebieten bei der gegenseitigen mündlichen Kommunikation
- Kirchenslawisch – spätere Bezeichnung für Altslawisch
- Kodifizierung – Festlegung der Sprachnorm
- Mediale Diglossie – Zweisprachigkeit in den Medien
- Orthografie – Rechtschreibung
- Schrifttschechisch (Hochtschechisch) – wird bei der schriftlichen und offiziellen gesprochenen Kommunikation verwendet; basiert auf der zentralböhmischen Mundart
- Slowakisch/Slovakisch – 1) Nationalsprache der Slowaken; 2) zuerst Ende des 18. Jh. verwendeter Begriff für die schriftliche slawische Sprache in Oberungarn im Unterschied zum Ungarischen und Latein
- Synthetischer Bau – grammatikalische Wortfunktionen werden mit Hilfe von Endungen ausgedrückt
- Tschechoslowakische Sprache – in Wirklichkeit entweder das Tschechische oder das Slowakische; 1920–1938 politisches Konstrukt der offiziellen Sprache der Tschechoslowakei (1921: 50 % tschechische, 23 % deutsche, 15 % slowakische Einwohner)
- Umgangstschechisch – Schriftsprache mit vereinfachten Merkmalen, wird bei der alltäglichen gesprochenen Kommunikation verwendet
Merkmale in Kürze
- Westslawische Sprache
- Betonung auf der ersten Silbe
- Lateinische Schrift mit diakritischen Zeichen
- Hoher Konsonantenanteil in Wörtern
- Synthetischer Bau, multifunktionelle Endungen
- Sprachliche Besonderheit: alveolarer stimmhafter affrizierter Vibrant »ř« (r mit Háček)
- Dialekte: böhmische – zentral-, südwest-, nordost-, mährische – hannakische, mährisch-slowakische, lachische
Sprachgebiet
- Muttersprache von ca. 10–12 Mio. Menschen in der Tschechischen Republik und im Ausland
- Tschechisch ist die Amtssprache in der Tschechischen Republik. Unter dem Einfluss des Hussitentums einige Zeit auch internationale literarische Schriftsprache (Polen, Ungarn).
- Amtssprache in der Tschechoslowakei neben dem Slowakischen (1918–1938, 1945–1993)
- Tschechisch kann heute im definierten Umfang bei der Kommunikation mit slowakischen Behörden verwendet werden.
- Dank der sprachlichen Nähe beider Sprachen große gegenseitige Verständlichkeit, die seit 1993 jedoch zurückgeht.
Europa
- Tschechische Republik (9,5 Mio. Sprecher) – Amtssprache, in Böhmen, Mähren und im südlichen Teil Schlesiens
- Slowakei (50–70 Tsd. Sprecher) – überwiegend tschechisch-slowakische Familien aus den Zeiten der Föderation
- Polen, Kroatien, Österreich, Ukraine, Deutschland, Schweiz, Frankreich usw. (Migrationswellen aus den Zeiten Österreichs, nach 1948 und 1968)
Übersee
- Nordamerika (500–600 Tsd. Sprecher) – tschechische Minderheiten in Texas, Nebraska, Iowa, Chicago, Toronto
- Südamerika
- Australien
Sprachgeschichte
Entstehung der Sprache (9.–11. Jh.)
- 6. Jh. – Einwanderung von slawischen Stämmen auf das heute Gebiet
- 864–867 – Mission von Konstantin und Method (Kyrillos und Methodios) in Groß-Mähren: dem Volk verständliche literarisch-kirchliche Sprache Altslawisch – Predigten, religiöse (Bibel-Übersetzung), juristische Literatur
- 10. Jh. – erste schriftliche Belege des Tschechischen: Glossen in lateinischen Handschriften, tschechischer Einfluss auf altslawische Texte (Kiewer Blätter); Ende des Altslawischen als Liturgiesprache; Latein (Schriftsprache bis Anfang des 19. Jh.): »Chronica Boemorum«, Legenden; Prag wird politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum
- 11. Jh. – älteste zusammenhängende Texte auf Tschechisch, noch keine Literatur
Alttschechisch (12.–15. Jh.)
- Seit dem 13. Jh. – Entwicklung der tschechischen Schriftsprache aus dem zentralböhmischen Dialekt (Prag), erste Literaturdenkmäler auf Tschechisch
- 14.–15. Jh. – klassische literarische Literatur: Chroniken (Dalimil-Chronik), Ritterepik (Alexanderepos), Legenden, Satiren, Rechtstexte, philosophische Schriften (Jan Štítný)
- 15. Jh. – hussitische Literatur (Predigten, Traktate: Jan Hus, Petr Chelčický)
- 1406 – Jan Hus: Orthographia Bohemica – Einführung der diakritischen Zeichen, Vereinfachung der Grammatik
- 1468 – erstes tschechisches gedrucktes Buch
Mitteltschechisch (16.–18. Jh.)
- Humanismus – Tschechisch gleichberechtigte Sprache der Wissenschaft, Geschichtsschreibung, des Rechts, stärkere Orientierung am Latein
- 16.–17. – Höhepunkt der Schriftsprache, Goldenes Zeitalter, Entwicklung der Sachliteratur, Chroniken (Hájek z Libočan)
- 1579/1613 – Kralicer Bibel, Werk der Brüderunität (Böhmische Brüder)
- 1603 – erste systematische Tschechisch-Grammatik (Slowake Vavřinec Benedikti)
- Nach 1620 – Niederlage der böhmischen Stände am Weißen Berg – Verfall der tschechischen Sprache als Folge, Sprache der Gelehrten Deutsch und Latein, katholische Literatur in Latein
- Tschechisch der Kralicer Bibel in der Exilliteratur (Comenius), Volksliteratur, Barockpoesie
Neutschechisch (seit dem 19. Jh.)
- Zeitlicher Hintergrund: habsburgische österreichische Vielvölkermonarchie mit Deutsch als Amtssprache
- Ende des 18. Jh. – Aufklärung Joseph II., es wird wieder tschechisch geschrieben, Schriftsprache auf Grundlage der Norm aus dem 16. Jh.
- 19. Jh. – »Nationale Wiedergeburt« – nationale Sprache in allen Bereichen, Publizistik, Literatur, Übersetzungen; Interesse für andere slawische Sprachen; Lehnwörter aus dem Deutschen werden durch neu geschaffene Wörter ersetzt
- 1809 – Ausführliches Lehrgebäude der böhmischen Sprache, erste moderne Tschechisch-Grammatik (Dobrovský – Gründer der Bohemistik)
- 1835–1839 – Böhmisch-deutsches Wörterbuch (Jungmann): Wörterbuchkodifizierung, Bereicherung des Wortschatzes
- 1848 – Unterrichtssprache Tschechisch an tschechischen Gymnasien
- 1858–1874 – erscheint die erste tschechische Enzyklopädie (Riegr)
- 1880 – Stremayr-Anordnungen: in den tschechischen Ländern der Monarchie Gleichstellung des Deutschen und Tschechischen bei der Kommunikation mit Behörden
- Ende des 19. Jh. – Kodifizierung der Grammatik (Gebauer)
Tschechisch des 20. Jh., Tschechisch der Gegenwart
- 1888–1909 – größte tschechische Enzyklopädie (Otto)
- 1918 – Zerfall Österreich-Ungarns, Gründung der Tschechoslowakei (Sprachen der Einwohner: Tschechisch, Deutsch, Slowakisch, Ungarisch, Ruthenisch, Russisch, Ukrainisch, Polnisch)
- 1920 – gesetzliche Verankerung der »tschechoslowakischen Sprache« als offiziellen Sprache
- 1926 – Gründung des Prager Linguistenkreises
- 1939–1945 – Schließung der tschechischen Hochschulen
- Nach 1945 – schwindet der unmittelbare Einfluss des Deutschen, Russisch-Einfluss wächst
- 1993 – Zerfall der Tschechoslowakei, Ende der medialen Diglossie (Tschechisch + Slowakisch)
- 1994 – Rechtschreibreform
- Gegenwart und Tendenzen: Rückgang der Dialekte zugunsten des Interdialekts, insbes. unter dem Einfluss der Medien; Mähren: keine Verwendung des Gemeintschechischen, als gesprochene Sprache des Alltags überwiegend Umgangstschechisch, in Böhmen praktisch nur Gemeintschechisch; Anglizismen
Slowakisch
- Dem Tschechischen sehr nahe westslawische Sprache auf dem Gebiet der Slowakischen Republik (5 Mio. Sprecher), sprachliche Diaspora im Ausland (Nordamerika, Ungarn, Rumänien, ehemaliges Jugoslawien, …)
- Dialektkontinuum zum Tschechischen, Staatsgrenze = Sprachgrenze
- Unterschiedlicher historischer Hintergrund der Entwicklung gegenüber dem Tschechischen: Slowakei zwischen dem 11. Jh. und 1918 unter ungarischem Einfluss
- 14. Jh. – erste Glossen und Slowakismen in lokalen tschechischen Texten
- 15.–19. Jh. – Tschechisch als Schriftsprache in der Slowakei (Einfluss des Hussitentums und der Reformation)
- 16.–17. Jh. – Slowakisierung der Schriftsprache (Zentrum der Bemühungen Trnava/Tyrnau)
- 1790 – erfolglose erste Kodifizierung des Slowakischen (Anton Bernolák)
- 1836 – Einführung des Ungarischen anstatt von Latein als Amtssprache, Ziel einsprachiger ungarischer Staat
- Seit Mitte des 19. Jh. – Entwicklung der schriftlichen slowakischen Sprache auf Basis der gemeinen mittelslowakischen Mundart (Ľudovít Štúr)
- 1844 – erste Publikation im Schriftslowakischen
- 1846 – Grammatik des Schriftslowakischen
- 1863 – Gründung des Kulturvereins Matica (Sitz in Martin/Turz-St. Martin) – Förderung der Sprache
- Nach 1918 – slowakischer Zweig der »tschechoslowakischen Sprache«, starker Einfluss des Tschechischen auf den Wortschatz
- 1931 – erste orthografische Kodifizierung
- 1940 – slowakische Rechtschreibregeln, Distanzierung vom Tschechischen
- 1945–1989 – Einfluss des Russischen
- 1968 – vollständige verfassungsrechtliche Gleichstellung des Slowakischen mit dem Tschechischen
- Nach 1993 – Einfluss des Tschechischen auch nach der Trennung stärker als in umgekehrter Richtung
- 1995 – Slowakisch wird zur Staatssprache der Slowakischen Republik
- 1997 – Rechtschreibänderungen

Tschechisch und Slowakisch – Sprachgebiete
Meine Arbeitssprachen
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